Don Quijotte und sein Ritterideal



Don Quijote hat nur eine Absicht: ein fahrender Ritter zu werden. Sein Ritterideal stellt der Amadís de Gaula. Im Folgendes wird eine Vergleichung der „Helden" gemacht indem klar wird, dass Cervantes die Figur von Alonso Quijano dazu benutzt hat, um eine Parodie einer Oberschicht zu machen, die sich nicht mehr an die damalige Gesellschaft anpassen konnte. Das Rittertum ist schon vorbei, nur beim Don Quijote in seiner Verrücktheit kann es lebendig bleibe.


Don Quijotes Verhalten liegt oftmals keine freie Willensentscheidung zu Grunde, sondern ein möglichst genaues Nachahmen seines großen Rittervorbildes Amadís de Gaula. Indem er bewusst Amadís imitiert verzichtet er darauf, selbst Original zu sein.(...) Der Imitation steht die Kontingenz gegenüber, die Frage nach der Notwendigkeit eines solchen Verhaltens.

 Amadís befindet sich in einer providenzbestimmten, Quijote in einer kontingenten Welt, in der es keine vorherbestimmten Rollen gibt. Trotzdem entspricht er nicht dem romantischem Subjekt, das völlig selbstbestimmt handeln kann. Quijotes Handlungsspielraum ist aufgrund seiner Imitation der Ritterwelt begrenzt. Er versucht von der kontingenten Welt in eine von Providenz bestimmte zurück zu gelangen.

 Der Amadísroman stellt eine wichtige Grundform des Ritterromans, in dem sich das Identifikationsangebot einer Vorbildfigur und das Element des Abenteuerlichen vereinigen, dar. Dieser Typus des Ritterromans wird nach dem berühmtesten und populärsten Werk dieser Gattung im 16. Jahrhundert bezeichnet. Er beinhaltet „Sagengut und heroisch-ritterlicher Ethos zur Verherrlichung eines idealen Rittertums“. Der Held, Amadís da Gaula besteht, nach seiner Geburt ausgesetzt, zahllose Abenteuer auf exotischen Schauplätzen, bis er endlich mit seiner Geliebten Oriana vereint wird. […] Die erste erhaltene Fassung des Amadís erschien 1508 in Spanien.“ (Metzler Literatur Lexikon, 1990) Perión (Amadís´ Vater) hat, bevor er mit Elisena Amadís zeugt, einen Traum, der das zukünftige Schicksal seines Sohnes beinhaltet; der Lebensweg des Amadís schon vorherbestimmt.

Don Quijote hingegen bestimmt seinen Lebensweg selbst, indem er den Entschluss fasst, von zu Hause auszuziehen, um ein fahrender Ritter zu werden. Die Weltordnung bei Amadís ist vorherbestimmt, der eigene Wille ist wirkungslos. Die Allmacht Gottes steht über allem, in diesem wohlgeordnetem Kosmos der Providenz lassen sich die Prinzipien nicht ändern. Für Don Quijote hingegen gibt es diese transzendentale Instanz nicht. Alle Geschehnisse lassen sich nur in der Realitätswahrnehmung des Einzelnen verstehen.

Die Welt des Ritters ist mit Gegenständen versehen, die metonymisch zu ihm gehören, so z.B. Rüstung, Schwert oder Pferd. In der Welt der Ritter gibt es nichts, was nicht zeichenhaft ist. Bei Amadís garantiert die Lanze eine glückliche Verbindung zwischen Ritter und Welt, nicht aber bei Don Quijotte; Als seine Lanze im Windmühlenabenteuer zerbricht, macht er sich kurzerhand eine neue, indem er einen trockenen Zweig abbricht. Für ihn bedeutet eine gute Lanze zu besitzen nicht gleichzeitig, ein guter Ritter zu sein. Er entschlüsselt die für ihn deutlichen ritterlichen Zeichen mit einem persönlichen Code, der für die anderen nicht verständlich ist. Weil der Code nicht universell ist, und seine Weggefährten ihn nicht dechiffrieren können, halten sie ihn für verrückt.

 Ebenso ist seine (selbstgebaute, rostige) Rüstung von schlechter Qualität und auch sein Pferd Rocinante ist nur ein klappriger Gaul. In seinem Zeichensystem ahmt er jedoch Amadís peinlichst genau nach. Wie sein Vorbild, nimmt er z.B. eine Namensänderung vor, verzichtet auf körperliche Bedürfnisse oder verweilt auf einem einsamen Felsen um Buße zu tun.

Am deutlichsten wird die zwanghafte Nachahmung jedoch bei Don Quijotes Wahl seiner Geliebten. Denn wie sich herausstellt, ist die angebetete Dulcinea ein Bauernweib von geringer Schönheit. Immer wieder zwingt er sich dazu, sich zu erinnern, wie Amadís gehandelt hat. „Venid a mi memoria cosas de Amadís, y enseñadme por dónde tengo de comenzar a imitaros. Mas ya sé que lo más que él hizo fue rezar y encomendarse a Dios” (I,25:319). Anschließend beginnt er, sich einen Rosenkranz aus Eicheln zu basteln, wobei er nur Amadís in seinem vordergründigen Handeln und nicht in der Bedeutung der Handlung (d.h. durch das Gebet Gott anzubeten) nachahmen will.

Don Quijote bedient sich der Verrücktheit um Ritter sein zu können. Denn indem er Abenteuer erlebt, wird er zum Ritter.