Siegfrieds Schwertleite

 (aus dem Nibelungenlied, 2. Aventiure, um 1200)


In seinen besten Zeiten / bei seinen jungen Tagen

Mochte man viel Wunder / von Siegfrieden sagen,

Wie Ehr' an ihm erblübte / und wie schön er war zu schaun,

Bald dachten sein in Minne / viel der waidlichen Fraun.

Man erzog ihn mit dem Fleiße / wie ihm geziemend war;

Was ihm Zucht und Sitte / der eigne Sinn gebar!

Das ward noch eine Zierde / für seines Vaters Land,

Daß man zu allen Dingen / ihn so recht herrlich fand.

Er war nun so erwachsen / mit an den Hof zu gehn.

(...)

Mit Kleidern hieß ihn zieren / seine Mutter Siegelind;

Auch pflegten sein die Weisen / denen Ehre war bekannt:

Drum mocht' er wohl gewinnen / so die Leute wie das Land.

Nun war er in der Stärke / daß er wohl Waffen trug:

Wes er dazu bedurfte / des gab man ihm genug.

Schon sann er zu werben / um manches schöne Kind;

Die hätten wohl mit Ehren / den kühnen Siegfried geminnt.

Da ließ sein Vater Siegmund / kund tun seinem Lehn,

Mit lieben Freunden woll' er / ein Hofgelag' begehn.

Da brachte man die Märe / in andrer Kön'ge Land.

Den Heimischen und Gästen / gab er Ross' und Gewand.

Wen man finden mochte / aus der Verwandten Art,

Der Ritter werden sollte / die edeln Knappen zart

Lud man nach dem Lande / zu der Lustbarkeit,

Wo sie das Schwert empfingen / mit Siegfried zu gleicher Zeit.

Man mochte Wunder sagen / von dem Hofgelag.

Siegmund und Siegelind / gewannen an dem Tag

Viel Ehre durch die Gaben / die spendet' ihre Hand:

Drum sah man viel der Fremden / zu ihnen reiten in das Land.

Vierhundert Schwertdegen / sollten gekleidet sein

Mit Siegfried zusammen / Manch schönes Mägdelein

Sah man am Werk geschäftig / ihm waren alle hold.